[POETENBLOG]
Das Wochenjournal eines Poeten

Montag, 1. Dezember 2008

Essen oder gegessen werden.

An den vorangehenden Gedanken, artikulieren wir uns anknüpfend weiter...
Trotz der Wegwerfangst und der Verschwendungspanik bei Müll werden keine Lebensmittelreste weggeschmissen, da dies Verschwendung ist und eine Sünde gegenüber den armen Kindern ist Westpolen und Südafrika. Essen ist trotz der Zuckerangst ein sehr wichtiges Thema des sich spiegelnden Menschen. Kartoffeln und Erdäpfel haben ausgedient, Sushi und Pfauenlenden aus Sau Nikon sind gefragt. Nebst Diabetiker-Produkte, die ja schliesslich noch ihren Sinn haben, sind wir darauf aus, möglichst unterschiedlichste Produkte beim Grosshändler zu kaufen und uns einzureden, dass wir etwas ganz exklusives im Einkaufswagen horten, dass wir die einzigen sind, die sich diese Lebensmittel leisten, oder leisten können, und dass wir bewusst leben, denn wir kaufen nicht das billigste, sondern das am teuersten Angeschriebene. Light-Produkte helfen uns, abzunehmen, gar nicht fett zu werden und weisse Zähne zu haben, den Unterschied zwischen soft und mild ist uns geläufig wie die Relativitätstheorie und wir kennen sogar Zero-Produkte, die Steigerung der Light-Waren, die absolut nichts enthalten, nicht einmal Geschmack. Ungesüsst, entkoffeiniert, fettfrei, und möglichst Bio muss es sein, unser Essen, bei dem wir zwar nicht dick werden dürfen, sondern bloss vitaminreich genährt. Premium Produkte, langsamer Food und selektierte Billigprodukte, budgetbedachter Abfall gegen preisgarantierte Delikatessen. Der sich spiegelnde Mensch isst Fast Food, weil er immer unterwegs ist, sich unterwegs findet und immer schneller reist und hastet, immer kürzere Pausen hat und immer mehr Termine, weil er immer mehr Freunde gewinnt. Fast Food, der Schrecken des sich spiegelnden Menschen, ist der Inbegriff des sich spiegelnden Menschen geworden, obschon wirkliche Bio-Fanatiker und Öko-Esser kein Fleisch verschlingen, eingeklemmt in zwei getoasteten Brötchen, garniert mit einem Salatblatt und reichlich fett. Sie essen, was Mutter Natur ihnen bietet und zwar nur Mutter Natur, Vater Mensch darf seine Finger nicht im Spiel haben, sonst wird zugebissen. Wenn ein Produkt aber Bio ist, dann werden auch keine Düngungsmittel verwendet, keine schädlingsbekämpfenden Schutzmittel, keine antibakteriellen Substanzen. Dies bringt den sich spiegelnden Menschen in ein Dilemma, da er bekanntlich an Waschzwang und Virenfurcht leidet. So muss er mehrmals seinen Salat waschen, muss seine Früchte schälen, sein Fleisch desinfizieren, am besten mit Schnaps und er muss immer gut sein Besteck reinigen, seine Zähne auch, seine Hände ebenfalls. Und nur Nebenbei muss der gesunde, duftende, sammelnde, jagende und sich spiegelnde Mensch auch seine Weste im Beichtstuhl reinigen, da er von „sündigen“ spricht, wenn er mit einem schlechten Gewissen ein Stück Torte isst und deshalb gleich fetter wird um die Hüfte. Weil Bio-Essen mehr Arbeit gibt für den sauberkeitsliebenden sich spiegelnden Menschen, ist es einfacher, in Bio Restaurants zu essen, oder in Bio-Café’s zu konditoren. Dem Bioladen an der Ecke vertraut man mehr, als dem Label, dem Bio-Label traut man mehr als dem Preis, dem Preis traut man mehr als der Vogelgrippe, Maul und Klauenseuche, dem Rinderwahn und dem Gammelfleisch, den Salmonellen oder dem Schimmel, den Schnecken im Salat und den Würmer in den Äpfeln zusammen. Jede Fliege in der Suppe, die man sich selbst eingebrockt hat, wird stets von findigen gesundernährenden Menschen entdeckt! Wenn man aber bedenkt, dass nicht alles Bio ist, was glänzt und nicht alles stimmt, was gelogen wird, dann liest man oftmals die Zusammensetzungsliste der einzelnen Produkte und die Zutatenbeschreibungen. So merkt man zum Beispiel eines Tages, dass für Säfte, oder für viele andere Produkte, jeweils künstliche Zintronensäure verwendet werden, währenddessen das Geschirrabwaschmittel Pril damit wirbt, echter Zitronensaft für ihr Spülmittel zu verwenden. Der gesundernährende Mensch denkt nicht weiter darüber nach, es muss ja alles mit rechten Dingen zugehen, schliesslich werden wir beschützt von Küchenerzieher wie Ivo Adam und Jamie Oliver, die ihren Durchbruch in der gesundernährenden Welt des Kochens geschafft haben, dank ihren Wegbereiter und Kochikonen wie Biolek, Lichter, Lafer, Kerner und natürlich die ganzen Medien, allen voran das Fernsehen mit Shows, bei denen man kochend gegeneinander antritt. Da solche Unterhaltungssendungen Duelle in der Küche sind, ist auch klar, dass der Sport auf den Herd gekommen ist.
Was ich damit sagen will? "Eat nature - shit life!"

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