Anknüpfend an den vorherigen Artikel, denken wir weiter.
Wo fing dieser zur Zeit herrschende Schönheitsfanatismus, dieser Perfektionsidealismus, dieser Gefallsuchtswahn eigentlich an? Ich denke, es fing an mit dem Zähneputzen. Zu dem Zeitpunkt, als es nicht nur die Zahnfee gab, sondern auch noch der Zahnteufel dazukam und er plötzlich allgegenwärtig war, reichte es auch schlagartig nicht mehr, sich bloss einmal am Tag die Beisserchen zu reinigen, sondern der Mensch erfand Elmex- und Aronal-Paste; die eine für den Abend, die andere für den Morgen. Dann reichte es nicht mehr aus, sich nur zweimal täglich die Zähne zu putzen, sondern man musste dreimal, dann steigerte sich unser gesundheitliches Verlangen und wir mussten auch noch Mundwasser gegen schlechten Atem verwenden, später war es uns wichtig, dass nebst dem Zähneputzen auch noch das Zahnfleisch massiert würde, somit musste eine Zahnbürste erfunden werden, mit der man keine Tomaten zerquetschen kann, mit einer biegsamen Gelenkkopfbürste und flexiblen, fein abgerundeten Borsten. Jedenfalls muss nicht nur die Borste der Bürste stimmen, sondern natürlich auch der Griff, am besten sollte er weichplastikgenoppt umpolstert sein, damit unsere Finger nicht so sehr ermüden beim Zahndeck schrubben...oder am liebsten einen Bürstengriff, der so angenehm in der Hand liegt, dass man die Bürste gar nicht mehr aus derselben legen möchte. Gesagt - getan; Gedacht - erfunden.
Kurze Zeit später ersetzte die elektrische Zahnbürste die manuelle Handzahnbürste. Wie man weiss, ist dort noch lange nicht das Ende der Zahnputzära, sondern es ging dann weiter mit Mundspülungen, welche die restlichen vom Auge nicht sichtbaren Bakterien aus unseren Zahnzwischenräumen entfernten, die grüne Mundspülung für vor der Zahnputzaktion, die blaue für nachher. Diese gab es natürlich in verschiedenen Aromen, denn das Mundgefühl ist uns parallel ebenfalls sehr wichtig geworden und nun gibt es von Pfefferminz- bis IrischMoos-Geschmack alles.
Dann aber befriedigten uns die Mundspülungen nicht wirklich und wir erfanden die Zahnseide, bei der sich jeder Grobmotoriker wieder das Zahnfleisch verletzte und gleich danach die Zahnwundsalbe auf die massierten, aber blutenden Zahnfleischstellen draufschmieren konnte. Dann waren wir endlich soweit, dass wir mit der elektrischen Zahnbürste dreimal täglich die Zähne putzten - morgens mit Aronal, abends mit Elmex und mittags mit einer Zahnpasta namens "dekaDENT" – und mit Mundspülung, Zahnseide und Mundwasser gegen schlechten Atem unsere Zähne bei bester Gesundheit hielten.
Doch auch dies reichte uns immer noch nicht, denn es kommt schliesslich nicht nur auf die Gesundheit an, sondern zusätzlich auch noch auf die Schönheit der Zähne. Deshalb gehört heutzutage zu einer gepflegten Zahnpflichtausstattung ebenfalls auch einmal in der Woche eine Paste, die unsere Zähne so weiss macht, wie von Ariel höchst persönlich gereinigt und wir benutzen mittags nicht irgendeine Zahnpasta, sondern eine, welche die freiliegenden Zahnhälse schont und vor Zahngefrierbrand schützt. Heute sind wir soweit, dass wir nach jeder noch so kleinen Mahlzeit, vom Apfel bis zum Abenddinner, den Kampf gegen Karies, Zahnstein und Plaque antreten und nicht zu vergessen ist die Einführung der Zahnputzkaugummis und Mundwasser für Unterwegs, damit wir ein weisseres, strahlenderes, atemfrischeres Lächeln haben, als alle anderen nur Aronal- und Elmex-Konsumenten. Die psychologischen und Physiologischen Folgen daraus sind: Bulimie, Diabetes, Zuckerphobie, Zahnsteinangst, Plaquefurcht, Freiliegende-Zahnhals-Panik, Mundgeruch-Sorge und Gelbzahnschrecken. Was ich in einem solchen akuten Fall von mündlicher Hygiene tun würde?
"Keep smiling by the smiling sky!"
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